Zeit ist ja so eine Sache. Ich habe Homo Sapiens 404 im Mai 2015 gekauft und im August angefangen zu lesen. Im Oktober war ich dann durch und habe der Claudia dann im November die Fragen zum Interview geschickt und die Antworten Ende April bekommen, weil wir es beide irgendwie verpennt haben. Jetzt sind dann nochmal zwei weitere Monate vergangen und ich habe endlich meinen Text zu den Büchern fertig und online gestellt, sodass ich hier nun noch endlicher auch das Interview posten kann. YAY!
Ich habe versucht die Fragen (und erwarteten Antworten) möglichst spoilerfrei zu halten was den Inhalt der Bücher angeht, sodass ihr auch als frisch angefixte Fans das ganze Interview gefahrlos lesen könnt:
Hallo Claudia, ich hoffe du hast die RingCon gut ueberstanden und bist bereit dich dem Schwall meiner hochwertigen Fragen anzunehmen! Wie erwartet fand ich den Rest von HS404 ziemlich gut bis super und bin auch ein bisschen traurig, dass nun alles vorbei ist.
Hi Patrick und ja, geht mir auch so. Also dass ich ein bisschen traurig bin. Den Rest beurteile ich lieber nicht selbst. :)
Und sorry noch mal wegen den rekordverdächtig späten Antworten!In HS404 machst du ja harten Gebrauch von Nerd-Lingo. Hattest du Angst, die Leser koennten damit nicht klarkommen und das Interesse verlieren weil sie von Torrents, IRC und Cracks keinen Plan haben? Indirekt gehst du darauf in einem der ersten Kapitel ja auch schon ein als Arnest mal wieder nichts von Kiplings Crackversuchen versteht. Sollte das auch ein bisschen dem Leser dienen, der Versuchung zu widerstehen jedes unbekannte Wort direkt nachzuschlagen?
So ist es. Arnest sollte klar machen, dass Kiplings Ausdrucks- und Denkweise nicht der Normalzustand für Figuren in dieser Welt ist und dass es keine Schande ist, als Leser mit Arnest in einem Boot zu sitzen. Wobei ich ansonsten davon abraten würde, mit Arnest in ein Boot zu steigen. Nur so als Tipp.
Ich wollte allerdings auch von Anfang zeigen, dass sich die Geschichte nicht für ihren Nerdfaktor schämt. Ich bin ein Nerd, die Welt wird immer nerdiger, und nur, weil ein paar Zombies die Erde überrennen, wird die Torrentszene ja nicht gleich aussterben. So lange auch nur ein Rechner läuft, wird es Leute geben, die von ihm ziehen.
Von Lesern habe ich auf den Nerdfaktor keine negativen Reaktionen bekommen, allerdings von der Lektorin, die ständig nachfragen musste, ob es Worte, die sie nicht kennt, wirklich gibt, oder ob ich versehentlich mit der Stirn auf die Tastatur geknallt bin.
Ich stelle es mir ziemlich anstrengend vor, lange, zusammenhaengende Geschichten zu schreiben, in denen immer wieder unterschiedliche Charaktere im Vordergrund stehen. Schreibst du die verschiedenen Handlungsstraenge durcheinander (also so, wie sie im Buch erscheinen) oder am Stueck?
Ich schreibe in der Buchreihenfolge, sonst würde es mir zu schwer fallen, ordentlich in die einzelnen Kapitel ein- und auszusteigen. Ohne dieses Durcheinander würde der Rhythmus der Geschichte nicht so gut funktionieren, glaube ich. Außerdem hätte es meiner geistigen Gesundheit wahrscheinlich erheblich geschadet, hundert Seiten lang am Stück Arnest zu sein.
Wie lange hast du insgesamt an HS404 geschrieben? In welchem Zeitraum hast du wie viele Stunden investiert?
Ziemlich genau zwei Jahre, allerdings mit Unterbrechungen. Insgesamt hatte die Serie 24 Bände, theoretisch hatte ich mir pro Band zwei Wochen Zeit genommen. Das Wort „theoretisch“ verrät natürlich schon, wie super das geklappt hat. In Stunden lässt sich das nur schwer umrechnen. Manche Bände entstanden in achtzig, andere – die, die von Emails des Redakteurs begleitet wurden, in denen meistens nur das Wort „WANN???“ stand – in vierzig. Man glaubt nicht, wie sehr nackte Angst motiviert.
Hast du oft nachtraeglich Kapitel bearbeitet, weil die Charaktere in einer Sackgasse steckten aus der auch Du keinen Ausweg kanntest?
Nicht direkt, weil sie in Sackgassen gerieten. Ich weiß bei jedem Handlungsstrang eigentlich ziemlich genau, wie er endet, nur machen ab und zu die Charaktere nicht mit. Es entstehen Dynamiken zwischen ihnen, mit denen man nicht gerechnet hat, und auf einmal bricht der ganze schöne Plan in sich zusammen. Ein Beispiel ist die Freundschaft? Beziehung? Was auch immer zwischen Auckland und Ama’Ru. Ursprünglich sollte Ama’Ru gar nicht so lange an Bord der Eliot bleiben, aber nach dem ersten Gespräch zwischen den beiden wurde mir klar, dass sie sich gegenseitig brauchen. Bye-bye Plan. Hallo Umschreiben.
Wahrscheinlich steckt in allen Crewmitgliedern der Eliot ein bisschen was von dir drin, aber mit welchem Charakter kannst du dich am ehesten identifizieren und warum?
Ich habe kurz mit dem Gedanken gespielt, Arnest zu sagen, aber zu dem werde ich nur, wenn mir einer die Vorfahrt nimmt. Sonst Kipling. Er ist ein Nerd, der denkbar ungeeignet für die Welt ist, in die es ihn verschlagen hat, aber trotzdem in ihr überlebt. Und wir benutzen die gleiche Linux-Distro. So was verbindet.
Wie kamst du auf die Idee, die Jockeys als Symbiose von Aliens und Tieren (der Erde) zu erschaffen?
@Patrick, das sind keine irdischen Tiere, sondern auch Aliens. Die Menschen verwenden nur irdische Namen für sie, weil sie die echten nicht kennen. Jetzt zur Antwort:
Das war die Grundidee von HS404 und die kam mir, nachdem ich einen Artikel über Parasiten gelesen hatte, die in das Gehirn von Ameisen eindringen und die steuern wie Autos. Das hat sich irgendwie verselbständigt und auf einmal wurden daraus die Jockeys. Welche Tiere sie benutzen, kam mir recht spontan. Nur Ama’Rus Gottesanbeterin stand von Anfang an fest.
Wie viel Aufwand war es, den vierten Sammelband von HS404 genau dann veroeffentlichen zu lassen, wenn ich gerade mit dem dritten durch bin?
Das war der härteste Teil der ganzen Geschichte. Aber alle bei CrossCult sind sehr stolz, dass es geklappt hat. :)
Was waren Ideen tolle die Du verwerfen musstest und warum war die Umsetzung nicht moeglich?
In meinem Kopf war das Universum viel größer als auf dem Papier, aber wenn ich das alles gezeigt hätte, wäre das wie „Europa in zehn Tagen“ geworden – viel Hektik und am Ende hat man eh die Hälfte vergessen.
Wie kompliziert war die Recherche auf den verschiedenen Gebieten? Wie gehst du mit negativer Kritik um? Hast du vor der Veroeffentlichung schlaflose Naechte aus Angst, dass irgendwelche Nerds Logikluecken im Buch finden, die du uebersehen hast?
Die Recherche war unkompliziert, aber nach dem Googlen von „Sprengkraft Cruise Missiles“ gefolgt von „Standorte Atomkraftwerke Japan“ dürfte die ein oder andere Watchlist um einen Namen reicher sein.
Kritik ist so eine Sache. Wenn jemand sagt: „Ich hasse Zombies, deshalb fand ich dein Buch scheiße“, ist das so, als würde man eine Broccoli-Pizza kritisieren, weil man keinen Broccoli mag. Wenn man aber sagt, dass einem die Pizza nicht geschmeckt hat, weil der Broccoli zu hart und die Röschen zu groß waren, dann sollte man als Pizzabäcker überlegen, ob man alles richtig macht. Vor allem, wenn die Beschwerde mehrfach kommt.
Auf der anderen Seite kann es natürlich sein, dass du den Broccoli absichtlich so kochst. „It’s not a bug, it’s a feature.“ Aber wenn alle das Feature für einen Bug halten, dann bringt dir das auch nichts. Und mir ist die Metapher gerade total entglitten, aber ja, so gehe ich mit Kritik um. Nieder mit Broccoli.
Ich hatte nicht vor der Veröffentlichung schlaflose Nächte, aus Angst, dass irgendwelche Nerds Logiklücken im Buch finden, die ich übersehen habe, ich habe die seit der Veröffentlichung.
Wann kommt die entsprechende Serienumsetzung von HBO?
Dienstag Abend um neun. Wirf schon mal den Torrent an. :)
Sicherlich haben Freunde und Familie von dir die Handlung und Entwicklung der Figuren von HS404 verfolgt. Wurden dir Angebote gemacht, um bestimmte Charaktere leben oder sterben zu lassen? Diskutierst du den Handlungsverlauf mit deinen Leuten und laesst du Vorschlaege einfließen?
Niemand außer mir wusste, was als nächstes passieren wird. Ich hätte das unheimlich gern mit denen diskutiert, aber keiner von den Broccolipizzenbestellern wollte gespoilert werden. Es gab nur sehr subtile Andeutungen, was das Schicksal von Figuren betraf.
„Du weißt schon, wer den ganzen nächsten Monat spülen muss, wenn Arnest drauf geht, oder?“
„Ich könnte dich ja ins Kino einladen … hatte ich erwähnt, dass ich Kipling echt gern mag?“
„Wenn du Auckland umlegst, dann … dann … du wirst schon sehen.«Neben der Taetigkeit, grossartige Buecher zu schreiben bist du ja unter anderem auch noch als Kolumnistin fuer die Geek! taetig. Als eifriger Blogger verfolge ich selbstverstaendlich auch den Traum, eines Tages davon leben zu koennen, meine Hirngespinste und Meinungen zu Papier zu bringen. Wie schafft man sowas?
Durch jahrelange harte Arbeit voller Rückschläge und Enttäuschungen, getrieben von einem alles verzehrenden Ehrgeiz und der sturen Gewissheit, dass man es schaffen kann und schaffen wird… Oder durch einen Pakt mit den Großen Alten. Gepriesen sei Cthulhu.
Da du genau wie ich ein Fan von nicht ganz so guten Filmen bist, wuerde ich gern deine persoenlichen Top 5 Trashfilme wissen.
Mit dem größten Vergnügen.
5. Blood Feast – weil man so etwas 1963 noch nie gesehen hatte
4. Toxic Avenger – in eine solche Liste gehört mindestens ein Troma-Film
3. Death Race 2000 – das Original, nicht das weichgespülte Remake
2 Killer Clowns from Outer Space – Kult
1. Metalstorm: The Destruction of Jared-Syn – Trash in seiner reinsten Form. Ein Film, bei dem man nicht nur den Geisteszustand aller Beteiligten hinterfragt, sondern auch die Wendungen im Leben, die einen bis zu einem Punkt geführt haben, an dem es für eine gute Idee hielt, diesen Film zu sehen.Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst! Eine Antwort irgendwann im Laufe des Monats reicht mir, keine Hektik :)
Gut, dass du nicht geschrieben hast, welcher Monat. :)
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